Vor vielen Jahren war ich an einer Lesung des Autors und Kabarettisten Bänz Friedli. Ich war fasziniert von seinen Geschichten!
Kurz darauf, zu einer Zeit, als ich praktisch null Sport betrieb, erklomm ich mit meinem ältesten Bruder und einem Kollegen den Piz Beverin. Die Gedanken, welche mir dabei durch den Kopf gingen, verarbeitete ich im Anschluss daran in einem Text, welchen ich an einen ausgewählten «Kundenkreis» per Email verschickte. Es war die Geburtsstunde meiner bis heute erscheinenden Kolumnen, die Mutter aller (zumindest meiner) Kolumnen sozusagen. Gerne werde ich, in loser Folge, auf dieser Page eine Auswahl der bereits per Email veröffentlichten Kolumnen präsentieren. Hier findet ihr also Kolumne Nummer 1 «Ein Tag in den Bergen»:
Ein Tag in den Bergen
Alles fing ganz harmlos an: ein Kollege fragte mich, ob ich mit auf eine Bergtour komme. Na klar, schliesslich bin ich ein Mann aus den Bergen. So ein Berg erklimmt sich doch leicht. Ich bin zwar nicht schwindelfrei und konditionell eher schwach dotiert. Eine Bergtour mit klettern und Steigeisen und Seil käme für mich eher nicht in Frage. Der zu bezwingende Berg sollte sich aber ganz leicht bezwingen lassen, auch ohne die erwähnten Hilfsmittel.
Also frisch auf, es war ein strahlend schöner Tag, vielleicht eine Spur zu heiss. Meine neue Wanderausrüstung liess mich aussehen wie ein Hobby – Reinhold Messner (der Bart des Propheten fehlte mir natürlich)…
Doch konnte ich kaschieren, dass ich es eher mit Winston Churchill halte, der immer verkündete „No Sports“? Immerhin wurde der gute Winston auch ohne sportliche Anstrengungen steinalt!
Schon beim ersten Aufstieg schoss mein Puls in ungeahnte Höhen. Hatte ich mir in meinem doch nicht mehr ganz jugendlichen Alter etwa zuviel zugemutet? Noch dazu schien der Berg hämisch auf mich herniederzugrinsen. Da soll ich hoch? Doch was ein echter Bündner ist, ist nicht nur stur, er lässt sich auch nichts anmerken! Zumindest denkt ein echter Bündner, man sähe ihm seine Qualen nicht an…
Immer Höher schraubten wir uns den Berg hoch. Meine zwei Begleiter (wovon einer mein nur unbedeutend älterer Bruder ist), erklommen den ungastlich scheinenden Berg, als ob sie in einem früheren Leben Steinböcke gewesen wären. Nichts war ihnen anzumerken (oder meinte ich das nur?)!
Die Felsen wurden schroffer, die Abhänge steiler, mein Herz pochte irgendwo zwischen Brustkorb und Haaransatz, die Knie wurden – ob all der steilen Abhänge – immer weicher und der Schweiss troff mir in Strömen vom Körper. Wobei ich nicht mehr zu unterscheiden vermochte zwischen „normalem“ Schweiss wegen der Anstrengung und Angstschweiss wegen meiner „leichten“ Höhenangst…
Weit ob uns sahen wir eine andere Gruppe, welche ebenfalls „unseren“ Berg bestieg. Zu meinem Erstaunen und trotz meines nicht gerade weltmeisterlichen Tempos, holten wir die Gruppe sogar ein. Eine deutsche Gruppe. In so einer Situation will der Bündner doch noch mehr brillieren!
Da fragt mich doch tatsächlich so ein Schnösel, ob es denn Spass mache! Nur um noch nachzuschieben, dass er den Berg schon zum 16. Mal besteige! Mordgedanken machen sich in mir breit…
Natürlich macht es mir keinen Spass, du aufgeblasener Angeber, ich schmeiss dich gleich den Abhang hinunter, schreit es in mir. Doch der Schnösel hat seine schwangere (!) Frau dabei! Soll ich die unglücklich machen? Also lasse ich meine Mordfantasien zerfliessen und zwinge mich zum ungezwungenen Smalltalk…
Ich quäle mich weiter, der Gipfel wird erreicht! Welch grandiose Aussicht! Was sind wir Bündner doch für tolle Typen! Die Welt liegt uns zu Füssen, alles rundherum verliert an Bedeutung! Ich bin ein Held!
Allerdings denke ich noch nicht daran, dass vor mir ja auch noch ein qualvoller Abstieg auf der anderen Seite des Berges liegt und dass ich abends ermattet und keuchend in ein heisses Kräuterbad sinke, um meine geschundenen Glieder zumindest einigermassen wieder zu besänftigen…
Was bin ich doch für ein Held…